Donnerstag, 6. April 2017

Kultur!

Hallo liebe Leser,

mittlerweile habe ich mehr als die Hälfte meines Freiwilligendienstes hinter mir und in 4 1/2 Monaten geht es auch schon wieder nach Hause!!

Natürlich war ich wie immer auch unterwegs, aber in diesem Beitrag soll es nicht primär darum gehen, diesmal will ich mehr auf die vietnamesische Kultur und das Land an sich eingehen. Für diesen Blogeintrag gilt besonders, dass das hier nur meine subjektive Sicht der Dinge ist und nicht dazu dienen soll oder den Anspruch hat, die vietnamesische Kultur genau wiederzugeben und zu bewerten. Ich spreche hier nur von meinen persönlichen Erlebnissen und meiner Meinung.

Was eignet sich besser um eine Kultur zu erleben als ihr größtes Fest? Bei uns wäre das Weihnachten, hier in Vietnam ist es Tet (Ein paar von euch sagt vielleicht die Tet-Offensive des Vietnamkrieges etwas), auch bekannt als chinesisches Neujahr. Das Datum des Neujahrs variiert jedes Jahr und fällt auf einen Neumond zwischen dem 21. Januar und 21. Februar, daher auch die englische Übersetzung ‘Lunar New Year’.

Ähnlich wie bei Weihnachten gibt es auch diverse Traditionen vor dem Fest. Dazu gehört zum Beispiel das Freilassen von Fischen, meistens Goldfische oder Karpfen, in einem Teich oder Fluss. Man macht das zu Ehren des Küchengottes, um ihn einen schnelleren Aufstieg in den Himmel zu gewährleisten, was ihn glücklich stimmen wird und einem für das nächste Jahr Glück bringt. Wir haben das im TCC auch in einem der Schildkrötengehege gemacht.

Es wurde vergessen die Fische dort wieder herauszunehmen, aber dafür haben wir jetzt ein paar schöne Fische im Besucherzentrum :D

Eine andere Tradition ist das Herstellen von Banh Chung, was so viel wie Chung-Kuchen heißt. Mit Kuchen hat das ganze jedoch nicht soo viel zu tun. Man nimmt dafür viele Blätter (entweder von Bananen oder anderen Pflanzen), Klebreis, Mung-Bohnen und Schweinefleisch. Es gibt auch andere Kombinationen, aber das ist die gängigste. Mit den Blättern „baut“ man eine Art Hülle für den Kuchen.
Dann tut man Reis hinein, dann die zerstampften Bohnen und das Fleisch und dann wieder Reis obendrauf.

Beim Zuschnüren ist Konzentration gefragt!

Dann wird das ganze zusammengeschnürt und mindestens 12 Stunden gekocht, teilweise auch bedeutend länger! Es schmeckt auch wirklich sehr lecker und ich finde das bewundernswerteste, dass alles, sogar die „Verpackung“ aus natürlichen Zutaten gemacht wird.

Wir wurden von der Familie unseres Freundes Hung eingeladen, mit zwei anderen Kolping-Freiwilligen über Tet vier Tage bei ihnen zu verbringen und so hautnah das Fest zu erleben. Nach vier Stunden Fahrt dorthin (für 130km Strecke, typisch Vietnam) waren wir Donnerstag morgens endlich da. Das Neujahr an sich ist zwar nur einen Tag, aber die Feierlichkeiten erstrecken sich über 1-2 Wochen! In dieser Zeit herrscht Ausnahmezustand in Vietnam, so gut wie niemand arbeitet, alles ist geschlossen, die Preise für fast alles, sei es Transport oder Essen, verdoppeln oder verdreifachen sich! Hanoi war von dem was ich gehört habe anscheinend wie leer gefegt (unvorstellbar wenn man sich den Verkehr dort sonst anguckt), weil alle aufs Land zu ihren Familien fahren.
Was man während Tet hauptsächlich macht, ist Essen. Und Trinken. Und zwar Reiswein(eigentlich Reisschnaps, aber wird hier immer Reiswein genannt) und Bier. Und das nicht zu knapp, nämlich zu jeder Mahlzeit. Ich finde es generell krass, wie viel Vietnamesen trinken, vor allem auf dem Land. Das Klischee, das Asiaten nicht viel vertragen ist zumindest hier kompletter Quatsch. Ein großer Unterschied zu Europa ist auch, dass hier die Leute mehr trinken, je älter sie sind! Und meistens wird jeder Shot gemeinschaftlich getrunken, also entweder stoßen alle in der Mitte an oder man fordert jemandem zu einem privaten Shot auf.
Wenn man das ablehnt, gilt das als unhöflich. Vor allem je älter die Person ist. Denn das Alter spielt eine sehr wichtige Rolle in Vietnam! Je älter man ist, desto mehr hat man zu sagen und desto wichtiger ist man. Ein krasses Beispiel dafür ist die Rolle des älteren Bruders. Wenn ich Vietnamese wäre und mein Vater hätte einen älteren Bruder, dann hätte dieser theoretisch mehr Rechte meine Erziehung zu bestimmen, als mein Vater, er könnte diesem also Vorschriften diesbezüglich machen.

Auch das komplette Anrede- und Personalpronomensystem basiert auf dem Verhältnis von dem Alter der beiden Konversationspartner! Wenn ich zum Beispiel zu einem Mann spreche, der ca. 2-15 Jahre älter als ich ist, dann spreche ich ihn mit anh(ausgesprochen:Äng), was so viel wie großer Bruder heißt, an, und rede von mir selbst als em (Äm) (junges Geschwisterkind). Wenn diese Person zu mir reden würde, würde sie von sich als anh sprechen und mich mit em anreden. Und so gibt es wirklich für jede Altersstufe und jedes Geschlecht Unterschiede wie man die andere Person anspricht und man von sich spricht! Wenn man eine Person mit der falschen Anrede adressiert, kann das für die andere Person beleidigend und respektlos sein, vor allem vor Anderen. Es wäre ja auch komisch, wenn ich zum Beispiel meinen Opa mit ‘Hey kleiner Bruder’ anreden würde. Bei uns sind die meisten Vietnamesen da zum Glück ziemlich entspannt und lachen darüber wenn wir einen Fehler machen  Trotzdem hat mich dieses System am Anfang unglaublich verwirrt und ich kenne immer noch nicht alle Anreden :D Ich spüre auch wie man sich durch diese verschiedenen Pronomen automatisch den älteren Personen untergeordnet fühlt.
In den Männerrunden muss auch immer der Jüngste den Reiswein einschenken.
Generell wird meistens nur Alkohol getrunken, wenn dabei gegessen wird, nur manchmal abends wird beim Zusammenkommen hier Bier oder Reiswein getrunken, aber davor wurde auch meistens zusammen gegessen.
Meistens wird dann beim Essen ziemlich viel in eher kurzer Zeit getrunken, meistens über einen Zeitraum von einer Stunde ein Reiswein-Shot alle 5 Minuten(oder alle 2, je nach Ausdauer der Teilnehmer)! Danach stehen dann alle auf, manche früher als andere, je nachdem wie viel man verträgt oder vertragen will, und gehen zu einem anderen Tisch, wo dann grüner Tee getrunken wird, in shotähnlichen Mengen, dafür aber sehr stark! Danach geht man dann je nach Umfeld und Motivationslage entweder Karaoke singen (eher mit jüngeren Leuten) oder einfach nach Hause. Manchmal ist das echt ziemlich komisch, es fühlt sich dann so an als ob man vorglüht, aber dann einfach nicht zur Party geht :D
Dieses Trinkverhalten findet sich zumindest auf dem Land in allen Bevölkerungsschichten wieder, sei es der Reisbauer der mit seinen Freunden zu Abend isst oder bei einem wichtigen Treffen hochdekorierter Offizieller.
Oft werden Verträge oder Vereinbarungen bei so einem Abendessen gemacht, und wenn man nicht trinkt, gibt es keinen Deal! Dies habe ich schon von einigen Leuten gehört, die hier im Bereich des Tierschutzes arbeiten und oft mit Vietnamesen zusammenarbeiten müssen. Falls diese zum Beispiel gefährdete Tierarten halten, gibt es oft ohne ein gemeinsames Besäufnis keine Zusammenarbeit.
Auffällig ist auch dass die Frauen in den meisten Fällen nichts oder nur wenig trinken. Beim traditionellen Essen auf dem Boden sitzen die Frauen und Kinder am einen Ende des Tisches, und die Männer am anderen Ende des Tisches, meistens findet auch zwischen diesen Gruppen während dem Essen eher wenig Interaktion statt. Hier ein Beispiel wie das bei Tet aussah:

Vietnam ist teilweise noch patriarchalisch geprägt. Wenn zum Beispiel eine Frau einen Mann heiratet und dieser keinen älteren Bruder hat, zieht sie in den meisten Fällen mit ihm in das Haus seiner Eltern ein. Oft arbeitet auch nur der Mann und die Frau kümmert sich um den Haushalt, obwohl viele Frauen auch arbeiten (hauptsächlich als Verkäuferinnen habe ich das Gefühl :D Auf dem Markt verkauft normalerweise kein einziger Mann seine Waren). Auch die Offiziellen und z.B. Polizisten sind größtenteils Männer, aber das änderte sich ja in Deutschland auch erst kürzlich. Allerdings muss ich sagen, das der Umgang zwischen Mann und Frau hier sehr respektvoll ist.

Die oben genannten Dinge beziehen sich hauptsächlich auf das Leben in Nordvietnam auf dem Land, wie ich es bisher mitbekommen habe. Zwei Drittel der vietnamesischen Bevölkerung leben auch immer noch auf dem Land und mehr als 50 Prozent der Vietnamesen arbeiten in der Landwirtschaft (in Deutschland 2%!). Mir wird auch bei unseren Motorradfahrten durch entlegene Gebiete immer wieder bewusst wie arm viele Leute hier noch sind und wie simpel sie leben. Das Landesdurchschnittseinkommen pro Kopf in Vietnam betrug 2015 ca. 2100$, wobei es 2000 noch bei 400$ lag. In Deutschland lag es 2013 bei 44.000$!! Dieser Unterschied ist echt krass. Was ich noch härter finde ist wenn man bedenkt dass das nur das Durchschnittseinkommen ist, was heißt dass ein Großteil der Leute noch weniger haben... Das kann dann z.B. so aussehen

Allerdings ändert sich dieses Verhalten in der Stadt, wo generell einfach alles komplett anders ist! Hanoi ist eine der hektischsten und überfülltesten Städte in der ich jemals war, und manche Viertel dort stehen deutschen Großstädten in nichts nach. Auch andere oben angesprochene Sachen wie der Alkoholkonsum und die patriarchalische Struktur sind dort immer weniger zu finden. Die Leute in der Stadt sind meistens offener und die meisten jüngeren Leute dort können etwas englisch sprechen, so dass man sich verständigen kann. Und man wird nicht so komisch angeguckt, weil es für die Leute dort nichts besonderes ist. (Das ist im Park und Umgebung teilweise echt nervig, manchmal werde ich einfach von irgendwelchen Leuten gefragt ob sie ein Foto mit mir machen können, für viele Leute ist es wohl echt noch etwas besonderes einen Westler zu sehen). Saigon im Süden Vietnams soll was das angeht noch fortschrittlicher sein, ich reise bald dorthin und werde dann auch darüber berichten.
Generell machen viele Vietnamesen sehr viele Fotos. Und sie posten auch sehr viele davon auf Facebook. Generell posten sie sehr viel auf Facebook(manche Leute mehrmals die Woche), was immer sie gerade machen oder sie beschäftigt. Meiner Wahrnehmung nach haben die meisten Vietnamesen ein ganz anderes Gefühl von Privatsphäre, als wir es haben. Das liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass sie viel mehr Zeit gemeinschaftlich, vor allem in der Familie verbringen, als wir das tun.
Nun zurück zu Tet...
Am letzten Abend vor dem neuen Jahr sind wir mit unseren vietnamesischen Freunden in eine Pagode gefahren, wo diese für ihre Vorfahren gebetet haben. Diese Ahnenverehrung ist ein sehr wichtiger Teil der vietnamesischen Kultur.Offiziell ist das sozialistisch regierte Land atheistisch, doch die meisten Vietnamesen sind in irgendeiner Weise gläubig. Es ist keine feste Religion, es ist eher eine Art traditionelle Spiritualität die unter anderem auf dem Buddhismus beruht. In so gut wie jedem Haus gibt es einen Altar, wo die Ahnen (und oft auch der Volksheld Ho Chi Minh, der 1946 Vietnam für unabhängig erklärte und bis zu seinem Tod die Schlüsselperson bei der Befreiung Vietnams war) verehrt werden und ihnen alle möglichen Güter, sei es nun Essen oder Geld, als Gabe für das Leben nach dem Tod hingestellt werden.
Beim eigentlichen Neujahr um 0 Uhr waren wir nur im engsten Kreis der Familie zusammen, die Ahnenverehrung ging dabei weiter, es war sehr aufregend das so direkt zu erleben!

Dann wurde natürlich wieder getrunken, allerdings hatte das hier eher etwas zeremonielles. Danach wurden kleine rote Umschläge mit Geld ausgetauscht, Li Xi genannt. Übersetzt heißt das so viel wie Glücksgeld. Es gehört zur Tradition, Kindern und Jugendlichen diese Umschläge auszuhändigen, aber je älter man wird, desto weniger kriegt man und desto mehr muss man geben(kommt mir irgendwie bekannt vor). Wir haben ein paar verteilt, aber auch ein paar erhalten :)

Danach haben uns die Eltern unseres vietnamesischen Freundes in der traditionellen Weise in einer bestimmten Reihenfolge alles Gute für das neue Jahr gewünscht.
Es gab auch ein paar vereinzelte Raketen, aber die Regierung hatte dazu gebeten das Geld für Feuerwerkskörper für die Opfer einer Flut in Zentralvietnam zu spenden und hat auch das selbe getan.
Am nächsten Morgen haben wir gemeinsam verschiedene Verwandte von Hung besucht, um Glückwünsche für das neue Jahr und Li Xi auszutauschen, und natürlich um zu essen und zu trinken. Das ging dann noch diesen und den Tag danach so weiter, bevor wir wieder zum Park gefahren sind. Wir hatten uns bereiterklärt die restlichen Feiertage zu arbeiten, damit unsere Keeper Zeit mit ihren Familien verbringen konnten, jetzt weiß ich wie sich Leute fühlen die an Weihnachten arbeiten müssen, und respektiere das sehr!

Ich probiere hier gerade das was ich erlebt habe so gut es geht nachzuerzählen aber diese Erfahrung komplett eine andere Kultur zu erleben kann man leider nur sehr eingeschränkt wiedergeben, natürlich gilt das nicht nur für Tet sondern alles was ich über Vietnam gerade geschrieben habe.

Hier sind allerdings noch ein paar andere typisch vietnamesische Dinge/Gewohnheiten, die ich gerne mit euch teilen will:
-Trotz niedrigerem Lebensstandard besitzen sehr viele Vietnamesen ein Smartphone, vor allem in der jüngeren Generation
- Autos haben eine hohe Luxussteuer und sind deswegen für die meisten Vietnamesen nicht finanzierbar. Das Hauptfortbewegungsmittel in Vietnam sind Motorräder und Roller. Dabei sind Vietnamesen richtige Transportkünstler was das angeht, alles wird auf dem Motorrad transportiert, teilweise auch bis zu 5 Personen gleichzeitig!
So viel schaffen manche Deutsche nicht mal in ihr Auto zu packen!

-Der vietnamesische Verkehr in den Städten ist einfach nur verrückt. Da es keine öffentlichen Verkehrsmittel außer Busse gibt, sind zwangsläufig alle Leute auf der Straße unterwegs, und wenn es ungewohnt ist wirkt es wie Selbstmord eine Straße zu überqueren.
-Beim Essen gibt es eigentlich immer eine Suppe, die auch fleißig getrunken wird. Dafür trinkt man nichts während dem Essen(abgesehen von Reisschnaps natürlich)
-Wenn wir eingeladen sind zum Essen, werde ich immer dazu genötigt mehr zu Essen, die Gastgeberin(niemals die Männer, die machen aber das Gleiche mit Reisschnaps hahaha) macht mir oft trotz meinen Protesten einfach noch ein Fleischstück in mein Reisschälchen!
-Langfristig planen geht hier meistens nicht, alles wird immer sehr spontan entschieden und geplant, wenn man probiert etwas zu planen kommt es meistens eh ganz anders :) Wir hatten es bestimmt schon 10 mal dass die Leute im TCC uns um 10 Uhr morgens gesagt haben 'Ja wir haben heute Mittag eine Party, seid ihr dabei?'. Es hilft in der Hinsicht dass man sich wegen nichts wirklich viel Stress machen muss, aber oft sind Sachen dann sehr chaotisch und/oder wären mit etwas mehr Planung viel effizienter (Wir mussten auf der Arbeit schon oft Dinge mehrmals im Nachhinein ändern mangels langfristiger Planung, was manchmal echt viel Zeit gekostet hat)


Dann hatten wir noch unser Zwischenseminar in der Nachbarprovinz Hoa Binh. Wir waren 21 Langzeitfreiwillige aus Vietnam, ein Großteil davon war deutsch. Wir sind 5 Tage lang bei einem tollen Homestay untergekommen, mit sehr schöner Landschaft und sehr leckerem Essen. Es wurde sehr viel über Probleme geredet, was ich persönlich etwas schade fand weil ich lieber andere Themen noch angesprochen hätte, aber es war auch interessant zu hören was andere Freiwillige so beschäftigt und was sie für Erfahrungen in ihrem Projekt gemacht haben. Wir haben auch andere Aktivitäten unternommen, zum Beispiel ein Fußballspiel mit Einheimischen, eine Bootstour auf dem See mit Stopp bei einer mobilen Fischfarm auf dem Wasser und eine Wanderung in die umliegenden Berge, hier ein paar Impressionen.


Ein schwarzes Loch..








Wir hatten auch eine Kulturnacht, wo wir von unseren Gastgebern und ein paar anderen Einheimischen verschiedene traditionelle Tanzvorführungen geboten bekommen haben.

Bei der Wanderung kamen wir an Orten vorbei, wo ich wirklich aus erster Hand sehen konnte, wie hier gerade Dschungel abgeholzt und gebrandrodet wurde, das war etwas deprimierend zu sehen wie hier schöne Landschaft einfach zerstört wird.


Ich habe generell das Gefühl, das in der vietnamesischen Bevölkerung zu einem großen Teil kein Umweltbewusstsein vorhanden ist, sogar manche Mitarbeiter der Center hier zeigen wirklich kein Interesse an Tierschutz und arbeiten nur des Geldes wegen hier. Viele Orte die wir besucht haben waren mit ziemlich viel Plastikmüll verschandelt. Der Plastiktüten- und Verpackungswahn hier ist ziemlich krass, auf dem Markt morgens zum Beispiel nehme ich immer meine eigenen Tüten mit weil man sonst wirklich für jede einzelne Frucht- und Gemüsesorte eine einzelne Plastiktüte bekommt und dann auch nochmal eine Plastiktüte um alle anderen Tüten da reinzumachen...
Auch wenn man Süßigkeiten kauft, z.B. bei Gummibärchen, ist jedes einzelne Gummibärchen einzeln eingepackt, und dann alle einzelnen Packungen dann nochmal in einer großen Plastiktüte verpackt... Der Müll, den wir hier produzieren, wird auch nicht recycelt, sondern gesammelt verbrannt. Nur Biomüll benutzen wir für unsere Wurmfarm.
Aber man merkt hier auch dass sich in der jüngeren Generation bei vielen Leuten etwas ändert und sie mehr Acht auf Nachhaltigkeit legen, und es gibt auch Möglichkeiten falls man seinen Müll trennt z.B. Plastik zu verkaufen. Jedoch ist das den meisten Leuten zu viel Aufwand, und in Deutschland ist das ja teilweise nicht anders. Dadurch dass ich das hier so extrem erlebt habe achte ich wirklich mehr darauf, wie viel Müll ich mit meinem Konsumverhalten produziere.

Vor ein paar Wochen haben Lina und Ich mit 2 anderen Freiwilligen aus Hanoi eine Motorradtour in die Berge nördlich von Hanoi gemacht. Dort haben wir eine alte französische Bergstadt namens Tam Dao besucht, die Fahrt dorthin durch den nebelverhangenen Dschungel am Berg war einfach nur toll.


Danach haben wir eine Bärenrettungsstation vor Ort besucht. In der traditionellen chinesischen Medizin gilt die Gallenflüssigkeit der Bären als Heilmittel gegen viele Verletzungen und Krankheiten. Allerdings birgt es auch verschiedene Gefahren, in letzter Zeit sind mindestens 4 Menschen daran gestorben. In der traditionellen chinesischen Medizin selbst gibt es auch viele verschiedene Pflanzen die den gleichen Effekt haben, von vielen der Doktoren wird Bärengalle auch nicht mehr benutzt. Die Organisation AnimalsAsia, die diese Station gegründet hat, kämpft unter anderem auch für die Verbreitung dieses Wissens in der Bevölkerung.
Um an diese Flüssigkeit zu gelangen, werden Bären auf manchen Farmen in Vietnam in Käfigen gehalten, die nicht viel größer sind als die Tiere selbst, und dann wird den Tieren alle paar Wochen Flüssigkeiten aus der Galle genommen. Alle diese Tiere werden in der Wildnis gefangen. Offiziell ist die Bärenhaltung zum Gewinnen der Flüssigkeit untersagt, doch wie so oft hier fehlt die Durchsetzung der Schutzgesetze. Wenn Bärfarmen geschlossen werden, sind die Tiere am Ende ihrer Kräfte und haben auch oft viele Verletzungen und Krankheiten. Dann nimmt sich die Rettungsstation ihrer an und sorgt dafür dass sie den Rest ihres Lebens dort genießen können. Eine Chance auf Auswilderung besteht für fast keines dieser Tiere, da sie zu viel Nähe zu Menschen erfahren haben und oft auch körperlich eingeschränkt sind, manchen fehlen ganze Gliedmaßen. Deshalb gibt es dort insgesamt 160 Bären auf einem Gebiet von 12 Hektar. Jedoch leben immer noch etwa 1200 Bären auf Bärfarmen in Vietnam, und in China sogar mehr als 10000!



In unserem Park und Umgebung gab es auch wieder was zu entdecken, wir haben u.a. einen der Karstberge erklommen (und wurden mit einer unglaublichen Aussicht belohnt), Höhlen und Wasserfälle besichtig,
eine 16km lange Wanderung durch den Dschungel gemacht und danach bei einem Dorf einer ethnischen Minderheit im Park übernachtet.











Eine Vietnamesisch-katholische Kirche

Ein Denkmal für gefallene Soldaten des Vietnamkrieges durchs Schlüsselloch


Immer öfter setze ich mich auch einfach auf meinen Balkon oder fahre zum See, und einfach nur dazusitzen und die Natur um mich rum zu betrachten, denn hier ist gerade Frühling und alles erwacht! Es ist beeindruckend was man alles für schöne Vögel, Insekten, Spinnen, Schlangen, Eichhörnchen und Eidechsen hier sehen kann, wenn man sich einfach nur mal etwas Zeit nimmt :) Und es ist nie leise, es gibt immer eine angenehme Geräuschkulisse aus Fröschen, Insekten, Echsen und (Sing-)vögeln.

Ich habe davor noch nie eine so faszinierende Spinne gesehen


Und so eine Große auch noch nie, diese hier ist bestimmt 25cm lang!

Frühling heißt hier im Park auch Schmetterlingssaison, jedes Mal wenn momentan die Sonne scheint werde ich auf dem Weg zur Arbeit und zurück von Flattermännern die in dieselbe Richtung fliegen begleitet. Mit etwas Glück kann man auch Unmengen von Schmetterlingen an einer Pfütze beobachten!


Ich konnte das Video nicht drehen, beim Upload war es immer wieder hochkant...
Die Plastiktüte auf dem Boden ist genau das Problem, welches ich oben angesprochen habe.


Das Turtle Conservation Center hat es geschafft, General Motors Vietnam als Sponsor zu gewinnen. Sie haben uns Geld, unter anderem für unser neues Gehege und viele Sachspenden zukommen lassen.
Aus diesem Grund haben wir Anfang März eine Delegation von mehr als 30 Mitarbeitern der Firma empfangen! Sie waren für einen halben Tag hier, und zusammen mit den anderen Arbeitern haben wir der Gruppe eine Tour gegeben und dann die Besucher in verschiedene Gruppen eingeteilt, um sie verschiedene Aufgaben machen zu lassen, z.B. Wasser wechseln, das Essen der Schildkröten vorbereiten, Gras schneiden, etc...





Lina und Ich haben unser neues Gehege fast im Alleingang fertiggestellt, haben Teiche gegraben, Plane eingelegt, bepflanzt, mit trockenen Blättern befüllt etc.
Uns wurde auch die generelle Verantwortung für diesen Bereich übertragen, das heißt füttern, Wasser wechseln usw. Es ist aber ein gutes Gefühl, jetzt mehr Verantwortung zu haben und dadurch auch unabhängiger agieren können  Und es fühlt sich natürlich toll an den Schildkröten ein schönes Zuhause zu geben! Hier kann man den Fortschritt anhand eines Teilgeheges ganz gut sehen:




Wir haben momentan auch richtig viele neue Baby-Schildkröten (das fleißige Eiersuchen im letzten Herbst hat sich also ausgezahlt), mehr als 20 im letzten Monat! Hier ein paar Fotos die ich für die Facebook-Page des TCC gemacht habe:




Die beiden Exemplare hier sind schon etwas älter, aber deswegen will ich sie euch natürlich nicht vorenthalten!


Das kommende Wochenende (8.April) kommt meine Familie aus Deutschland mich besuchen! Ich freue mich schon unglaublich mit ihnen zu reisen und diese einfach komplett andere Welt, die momentan mein Zuhause ist, zu zeigen.

Danke für eure Aufmerksamkeit und liebe Grüße aus dem Dschungel

Euer Simon